Mimesis
ans Verblödete: maschek redet drüber
An
welchen Stellen der Fernseh-Nachvertonungs-Live-Shows von maschek wir
aus welchen Gründen lachen sollen und warum uns das einfach irgendwie
zu besseren Menschen machen wird, erklärt DREHLI ROBNIK.
Wie
wir alle gehen auch maschek - ein Welser und gleich zwei Wiener Neustädter
mit klingenden Bühnen-Pseudonymen wie "Peter Hörmanseder",
"Robert Stachel" und "Ulrich Salamun" -, gehen also
auch maschek davon aus, dass man über alles reden kann. Dass man
über alles reden kann - und nicht nur das, sondern auch muss! -,
zählt zu den wesentlichen Verdiensten des Fernsehens, zumal seiner
Talk-Formate. Und maschek reden über alles, zumal über diverse
Fernsehsendungen des ORF; mehr noch, sie reden in programmatischer Weise
drüber, indem sie das Bildmaterial "live" (wie wir in der
Branche sagen) sprechend nachvertonen. Früher haben maschek diese
Technik als "maschek-caráoque" bezeichnet, in Anspielung
auf die japanische Kunst des Blumensteckens.
Ein
Klassiker des Drüber-Redens von maschek ist die Bundespräsidentenrede,
mit der jede ihrer Shows beginnt. Mit mascheks Worten nimmt der Klestil
im Bild immer auf die jeweilige Situation Bezug - selbst wenn das z.B.
in Linz sein sollte. Das Über-alles-Reden (um nicht zu sagen "Reden
über alles!") ist eine Technik der Neudeutung als angewandtes
Medienmüll-Recycling und Nietzschesche Umwertung: Unter mascheks
Drüber-Reden wird ein Gespräch von Talkshow-Host Helmut Zilk
mit den Kessler-Zwillingen zum tablettenbedingten Delirium eines Altbürgermeisters,
der seine Dagi doppelt sieht. Eine Ausgabe der Kasperl-Show mit Herrn
Habakuk aus den 70er Jahren erweist sich bis ins kleinste Detail als eine
Jugendaufklärungssendung unter dem Motto "Keine Macht den Drogen".
Die Show zur Wahl der Sportler des Jahrhunderts mutiert zur "Staatsbürgerschaftsgala",
jenem Mega-Event, bei dem die Republik ihre fünf jährlichen
Aufenthaltsbewillungen an Asylwerber aus der Nicht-EU verleiht; ein zur
Einbürgerung auserkorener algerischer Taxifahrer, der manchen noch
als Alain Prost in Erinnerung ist, bedankt sich mit jener lächelnden
Unterwürfigkeit, die man in einem sicheren Trittland von Unösterreichern
erwartet.
Dass
bei sowas der Zynismus, der die Festung Europa stützt, kenntlich
wird, das sagt sich leicht und stimmt auch. (Sehr lustig ist es sowieso,
das ist, bitteschön, eh klar, sonst brauchen wir ja hier erst gar
nicht groß irgendwas schreiben!) Entscheidend ist dabei allerdings,
dass mascheks umdeutendes Drüber-Reden nicht aus der gesicherten
Distanz satirischen Besserwissens erfolgt: Nicht aus einem aufgeklärten
Außen heraus wird nachsynchronisiert, sondern durch Techniken des
Hinein-Steigerns und Sich-Infizieren-Lassens. Wir sind immer schon im
Bann des Boulevard, fasziniert vom Fernsehen. Ich selber z.B. war im Oktober
1999 dabei, als maschek das Drüber-Reden spontan erfunden haben:
Nämlich bei einem Abend in einem Wiener Amüsierlokal, den manche
damals scherzhaft "Soft Egg Café Vienna" nannten, da
haben die drei Herren die Live-Ausstrahlung der "Elefantenrunde"
nach jener fatalen Nationalratswahl nicht nur kommentiert, sondern - gesagt,
getan! - gleich komplett nachvertont. Im Zuge dieser Synchronisation redeten
die Parteichefs bald über nichts anderes mehr als die Rauchentwöhnungsprobleme
des damaligen Bundeskanzlers Viktor Klima. (Allein der Name hat heute
schon etwas Retro-Clubbing-mäßig Frivoles.)
Klimas
Rauchentwöhnungsprobleme (wie sie die SPÖ und andere Boulevardmedien
in der Endphase des Wahlkampfes 1999 betonten), sprich: das Allzu-Menschliche
als das Allzu-Mediale, das nackte Leben als öffentlicher Körper
des Altbundeskanzlers, das fasziniert uns und zieht uns hinein. Keine
satirischen Anführungszeichen (die sagen würden "Wir sind
grundsätzlich schlauer als der Fernseh- und Polit-Irrsinn")
halten uns auf Distanz. Lachen und Differenzierung gibt es nur im Nahkampf,
im ansteckenden Intimkontakt mit dem Fernsehbild. Und da geht es nicht
um bloßes Versinken und Wohlfühlen im ORF; vielmehr geht das
Sich-Hineinsteigern bei maschek immer in einen Gestus des Herausholens
über. Nur als genaues Gegenteil hat das mit dem zu tun, was in "TV
Total" passiert: Stefan Raab behält sich eben sichere Kontrollpult-Distanz
zum Material vor und beschränkt sich darauf, als derjenige, der schon
weiß ("Sie müssen jetzt mal genau gucken, wie der Moderator
am Busen seines Stargasts anstreift!", etc.), uns bloß das
zu zeigen, was wir sowieso im Fernsehen sehen hätten können.
Bei
maschek hingegen geht es darum, am Faszinierenden das Potenzial, die Virtualität,
einer ganz anderen und zugleich ganz buchstäblichen Bedeutung freizulegen,
herauszukitzeln. Wenn Zilks Sekretärin ihrem Chef einen Teller Suppe
und einen Akt auf den Tisch stellt, dann fördert mascheks Drüber-Reden
zutage, dass sie ihm als Gedächtnisübung verordnet, den ganzen
Text mit den Teigwaren aus seiner Buchstabensuppe auszulegen. Die eigenartige,
an Mafia-Symbolik erinnernde Geste, die Klestil bei irgendeiner Nationalfeiertagsfernsehrede
gemacht hat - in mascheks Eröffnungsansprachen bekommt das handgreiflich
verdeutlichte "Beiseite" jedesmal einen neuen Sinn. Und wenn
sich solch absichtsvolle Gesten (neu) deuten lassen, gilt das erst recht
für all das vegetative Nicken, Zeitschinden und Verlegenheitslächeln,
aus dem Talk-TV grundsätzlich besteht: Mascheks Drüber-Reden
betont jedes Grinsen, jedes Räuspern, jedes Nicken im Zwischenschnitt
("noddies" nennen die AngelsachsInnen diese Praxis, Interviews
zu inszenieren) bis zu dem Punkt, an dem die ORF-Debilität, die uns
fasziniert und immer auch unsere ist, zur hechelnden Synfonie wird. Message
und Noise tauschen Platz - etwa wenn die Parteichef-Interviews vom Nationalratswahlabend
2002 zur Sendungs-Generalprobe umsynchronisiert werden, in der der ORF
schnell seine Mikrofone justieren will: Also verlangt der Interviewer
vom SP-Vorsitzenden "nur ein paar Worthülsen" zum Signal-Pegeln,
und Gusenbauer antwortet brav mit "Test! Test! One-two-three! Blablablabla..."
Mit
ihrer taktischen "Mimesis ans Verblödete" (Adorno) treffen
maschek zweierlei: Zum einen folgen sie der Medialisierung von Politik
und der Vermarktung allen Lebens bis in deren Konsequenzen: In den Live-Neuvertonungen
von "Ein Fall für Zwei" geht es darum, dass Frank und Matula
jedesmal eine neue "Geschäftsidee" (Angebot eines Escort
Service, Verkauf und Einbau von Balkons...) umsetzen. Und weil die ORF-"ZiB"
jetzt von Hartlauer gesponsert wird, präsentiert ein zu Robert Hartlauer
umsynchronisierter Nachrichtensprecher Dieter Bornemann die neuen Jenseits-Bildtelefone
im Firmensortiment, indem er mit einem in Gestalt von Alfred Worm wiederbelebten
Franz-Josef Hartlauer konversiert.
Zum
anderen treffen sie das allgemeine Phänomen der spektakelförmigen
Medialisierung von Öffentlichkeit an einem wunden, nämlich spezifisch
österreichischen Punkt: dort, wo das Connecten von allem mit jedem,
das perfekte Inszenieren, das Über-alles-Reden-Können etc. aufgrund
nationalkultureller Spezifika im Wege von Reibungen, Pannen und Peinlichkeiten
funktionieren, vielleicht sogar am besten funktionieren. So ist etwa der
im ORF kultivierte Charme eines Dialekts von gravierenden Sprachstörungen
nicht mehr unterscheidbar: Elmar Oberhauser spricht Rätoromanisch,
Lizzy Engstler breitestes Unterkärtnerisch. FPÖ-PolitikerInnen
sprechen bei maschek grundsätzlich immer Kärntnerisch. Klestil
spricht Interviewerin Ingrid Thurnher staatsmännisch als "Liebe
Frau Turner" an; Richard Lugner verrät Alfons Haider mit sabbernder
Vertraulichkeit "I hob di g´wöht, Herr Haida!"
Wenn
der Bundespräsident von maschek dazu "überredet" wird,
sich beim Opernball zum "Großwesir Klestil von Österreich"
auszurufen und eine "Regierung aus Publikumslieblingen" einzusetzen,
dann zeigt sich schleichende Faschisierung von ihrer heitersten Seite,
also so wie in Wirklichkeit. Baumeister Lugner wird Außenminister,
DJ Ötzi will als neuer Unterrichtsminister die Schulpflicht samt
Gratisbüchern einführen. Verteidigungsminister wird Stardirigent
Seiji Ozawa, von maschek enttartnt als der "Mecki-Igel", der
ja schon in den 80er Jahren Werbemaskottchen des Bundesheeres war, und
Präsident Hannes Kartnig wird neuer Finanzminister, der zwar wegen
"Krida" eingesessen ist - nicht "fahrlässige",
sondern "bewaffnete Krida" -, aber, wie er sagt: "In Österreich
bist als Unternehmer ja immer mit einem Fuß im Kriminal." Die
restlichen Regierungsämter gehen an den Bridge-Club von Edith Klestil,
der laut Scheidungsvertrag 50% der Macht ihres Ex-Gatten zustehen. Und
währenddessen greift Alt-Bürgermeister Zilk harmlosen Beislgästen
in ihr Gollasch.
Fassen
wir zusammen: Maschek sind super. Wenn wieder einmal im Aufzug jemand
fragt, was maschek so machen, dann sagen Sie, die sind die Spassfraktion
der Found-Footage-Avantgarde und insofern der Bildungsflügel der
Retro-Kultur. Maschek sind Freunde von mir, und ich möchte fast sagen,
dass schon allein die Höflichkeit es gebietet, dass wir alle sie
zu unseren Freunden machen. Das heißt, wir fühlen uns jetzt
doch irgendwo ein bisserl verpflichtet, uns jede, aber auch echt jede
der anstehenden (und übrigens jedes Mal mit neuem Material programmierten)
maschek-Shows anzuschauen. Und jedesmal werden wir uns nachher denken,
was schon für Frau Bundesministerin Maria "Innerer Schweinehund"
Rauch-Kallat ganz naheliegend war: Wir werden "danken, dass der liebe
Gott uns soviel Kraft gegeben hat, das alles durchzustehen!"
Aus
gegebenem Anlass werden maschek ihre Linzer Shows ohne ihre legendären
weißen Tiger absolvieren. Wir ersuchen um Verständnis.
Alles andere auf (oder unter) www.maschek.org.
Drehli
Robnik ist Filmwissenschaftler, Lektor an der Uni Wien, gelegentlich
Disk-Jockey und Entertainer. Er "lebt" in Wien/Erdberg und Amsterdam/Oud-Zuid.
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