Vrääth Öhner über "der graue star 2 - die wehrmacht" | zurück zum maschek.blog


der graue star 2 - die wehrmacht ist ein durchaus hinterfotziges Stück Found Footage. Anders als der Titel zunächst vermuten lässt, entstellt die vorwiegend im fortge­schritteneren Alter auftretende Trübung der Augenlinse hier die im Sichtbaren versteckten Kontinuitäten österreichischer Mentalitätsgeschichte zur Kenntlichkeit. Das geschieht formal über einen Chor von Off­Stimmen, die - sich gegenseitig der Evidenz des Gezeigten versichernd - eigentlich nichts anderes tun, als das ohnehin im Bild Sichtbare kommentierend zu wiederholen, allerdings im Kontext eines Wahrnehmungshorizonts, der das visuelle Material um cirka zwei Jahrzehnte zurückdatiert bzw. geographisch verschiebt.

Auf diese Weise werden Amateuraufnahmen aus der Nachkriegszeit, die von ihren Urhebern in aller Unschuld mit der Bewahrung des Erinnerungs­würdigen betraut worden waren (mit dem Tagesablauf während einer waffenkundlichen Ausbil­dung, mit Urlaubsimpressionen in südlichen Gefilden), zu fiktionalen Dokumenten des Alltags in der deutschen Wehrmacht und im argentinischen Exil. Und warum auch nicht: Von Ordnung, Sauber­keit, Männerbündelei, Kamerad­schaft etc. hätten auch "echte" Dokumente zu berichten gewusst. "Caráoque" nennen maschek. dieses Verfahren einer Analyse des Sichtbaren über Tautologien: Hier ergreift die Stimme nicht die Macht über die Bilder, sondern fügt sich in die vom Visuellen offen gelassenen Leerstellen ein, damit zur Sprache kommen kann, was gemeint war. Das klingt dann vielleicht anders als von den Urhebern intendiert, trifft die Sache aber in ihrer Substanz. Und lustig ist es auch. (Vrääth Öhner)


the grey star 2 - the wehrmacht is a thoroughly underhanded piece of found footage. In contrast to what its title seems to promise - the original title could also be translated as The Cataract-, this clouding of the eye's lens, found primarily in the elderly, distorts the visibly hidden continuities of the Austrian mentality until they become recognizable. This is done by means of an off-camera chorus of voices which - while reassuring one another of the obviousness of what is being shown - do nothing more than comment on what is already visible. But this happens in the context of a perceptual horizon which antedates the visual material by two decades and places it in a different location.

As a result, this post-WWII amateur footage, with which memorable events (daily routine during military training and a vacation in southern lands) were recorded in all innocence, is transformed into a fictional record of everyday life in the German army and Argentinean exile. And why not? "Genuine" documents would also have reported on discipline, cleanliness, male bonding, comradeship, etc. "Caráoque" is the term maschek. apply to this process of analyzing the visible by means of tautologies. In this case, the voice of the narrator does not seize power over the images; it harmoniously interpolates itself into the spaces left open by the visual, allowing the question of the true meaning to be addressed. While this might vary somewhat from the original intention, it gets to the essence of the matter. And it is amusing. (Vrääth Ohner)

 


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