Reden,
Gold.
(Johannes
Grenzfurthner im FM4-Weblog,
29. 4. 2003)
In den letzten Jahren wurde die sogenannte "Spaßgesellschaft"
zum Popanz einer nicht unverdächtigen Hysterie. Ein aufgeblähtes
und jammerläppisches Beseufzungsunwort für den "kulturellen
Untergang des Abendlands". "Spaßgesellschaft" ist
nichts weiter als ein undefiniertes "Buh"-Funktionswort der
Altkonservativen sich über die Neukonservativen zu erheben, deren
hämischer Gottkaiser wohl Stefan Raab ist. Bei Licht betrachtet blaffen
sich Unschärfe und Unverschämtheit dieses fadenscheinigen und
zutiefst tautologischen Begriffs der Spaßgesellschaft unverwandt
an, er muss durch kritische Analyse seines Gegenstandes überwunden
werden. Was diese "Spaßgesellschaft" ist, das weiß
niemand so recht, denn der Begriff beschreibt ein Wirkungsensemble komplett
heterogener postmoderner Kulturphänomene, wie das Frank Apunkt Schneider
so festgestellt hat, die alle gemein haben, dass sich an ihnen hervorragend
eine Krisis des berüchtigten abendländischen Wertekanons herbeischreiben
lässt. Schweinslederne "E"-durch-"U"-Kastrationsangst.
Unlängst
erst wurde mir gegenüber das Triumvirat "maschek." mit
der ach-so-interessanten "Spaßismus"-Floskel bedacht.
Und da bekam ich den sprichwörtlichen Rappel. Und deshalb - aber
nicht nur - möchte ich hier ein wenig über "maschek."
tippen.
Die
drei jungen Herrn sind mir ja schon lange bekannt. Und auch ihr kulturelles
Reevaluationsverfahren.
Ihr Hauptanliegen ist - unterstelle ich mal - eine Aufdröselung von
medialer Werte- und Sinngenerierung. "maschek." haben eine ganz
eigene Form gefunden, sich mit den gesellschaftlichen Phänomenen
des spätkapitalistischen Österreich auseinander zu setzen. Eine
Videoleinwand und drei offene Mikros reichen aus, um den Myriaden Videokadern,
die der "öffentlich-rechtliche" ORF Jahr für Jahr
auf uns einprasseln lässt, zu zeigen wo der Bartl den Kontext holt.
"maschek."
sind Synchronisateure. Sie assemblieren Gegenrealitäten. Ihre Methode
neuen Sprachtext über alte Gesichter zu legen - sozusagen "drüber
zu sprechen" - ist mehr als nur ein kritisches Tagesstatement. Für
"maschek." ist der Zirkus Österreich - wie jeder Nationalstaat
auf Erden - eine Zwiebel aus Protz, Plunder und Gewalt, die sorgsam geschält
werden muss, bis nichts mehr übrig ist. Bei "maschek."
wird ordentlich abdekonstruiert. Und es ist verdammt unterhaltsam.
Mehr gibt es gar nicht zu sagen. ... aber es gibt noch einiges zu fragen.
Ein Interviewversuch
Grenzfurthner: Wie gestaltete sich denn die Geschichte von "maschek."?
maschek:
Geben tut es uns seit 1998, zunächst als Sendung auf Radio Orange,
bald auch auf der Bühne (erstmals im Dezember 98 in der legendären
Hobbythek), eine Zeit lang bei TIV und seit Sommer 2000 nur noch live
in diversen Theatern und Clubs.
Am Anfang haben wir vor allem mit Found Footage von Flöhmärkten
gearbeitet und zum Beispiel zu gefundenen Familienalben und Super-8-Filmen
Geschichten inszeniert. Die heute Abend füllende Synchronisations-Technik,
die bei uns "Caraoque" heißt, kam erst ein Jahr später
dazu. Nämlich: Als wir im Oktober 1999 den Wahlabend in Robniks "Soft
Egg Cafe" im Flex moderieren sollten, gestaltete sich die traditionelle
"Elefantenrunde" so langweilig und die Reaktionen der anderen
Parteien auf den unerwartet großen Zugewinn der FPÖ so phantasielos
und apathisch, dass wir kurzerhand den Ton runtergedreht und die Figuren
selber synchronisiert haben. Daraus wurde dann ein monatlicher halbstündiger
Auftritt im Soft Egg und schließlich die eigenen Shows in diversen
Theatern und auf einschlägigen Festivals.
Aus persönlicher Erfahrung kenne ich ja das leidige Problem des
so genannten Rechts und der so genannten Kunst. Gab es bei der Verwendung
von Material schon mal Probleme rechtlicher Natur? In den Staaten würdet
ihr ja definitiv unter "illegal art" laufen.
"Illegal
Art" klingt ja eh viel cooler als "Kabarett", als das wir
uns in Österreich beschimpfen lassen müssen. Ernste Probleme
gab es noch keine.
Was
ist eure persönliche Affinität zur jüngeren österreichischen
Geschichte?
Auf
die Gefahr hin, dass das jetzt klugscheißerisch kommt: Wir haben
ja fast alle großen politischen Ereignisse in Österreich in
unseren Programmen vorweg genommen: Den Rücktritt von Viktor Klima,
die Kanzlerwerdung von Wolfgang Schüssel, das beklemmend versöhnliche
Ende der "Sanktionen", das bizarre Abstinken von Jörg Haider
und seinen Buben. Wenn unsere "Zeros-Show" weiter Recht behält,
wird Hannes Kartnig noch heuer Bundespräsident und Michael Häupl
nächstes Jahr Kanzler.
Ihr
spielt ja ganz gezielt mit stereotypen Ausformungen des Mediensystems.
Was sind denn für euch spezifisch österreichische Phänomene?
Das
vielleicht spezifischste Phänomen an Österreich und seiner medialen
Abbildungen ist dieser Minimundus an maßstabsgetreuen Nachbauten
international bedeutender Ereignisse, Gesellschafts- und überhaupt
Strukturen.
Österreich hat zum Beispiel seine eigene High Society, die im internationalen
Jet-Set-Kontext etwa so glamourös ist wie die Hietzinger Hauptstraße
im Vergleich zu den Champs-Elysees. Der ORF verleiht fast wöchentlich
österreichische Abklätsche internationaler Awards, was darin
gipfelt, dass seine eigenen Anchorpeople zum xten Mal in Serie als "beste
Moderatoren des Landes" vorgeführt werden. Wobei es uns primär
wundert, dass die Leute sich nicht zu gut sind, diese Preise auch abzuholen.
Das wäre ja an sich alles noch lustig, aber dahinter liegen eben
auch Strukturen wie der Mediaprint-News-Verlag, der das Land praktisch
vollständig in Geiselhaft hat. Und wenn dann ein kritischer Dokumentarfilm
über die Kronenzeitung entsteht ("Jeden Tag ein Boulevardstück",
Anm.), der eigentlich aufgrund des Bildungsauftrags jeden Tag um 20.15
auf beiden Kanälen laufen müsste, dann scheißt sich der
ORF bis übers Kreuz an und hat auch noch die Chuzpe, den Film nicht
offiziell abzulehnen, sondern als "den Qualitätsstandards des
ORF nicht entsprechend" zu bezeichnen. Und von beiden, den lächerlichen
und den argen Phänomenen in Österreich, handelt "maschek.".
Ihr
verwendet Personen und Typen der Medienwelt um Statements abzugeben. Oft,
bei manchen jämmerlichen Menschen der kabarretistischen Zukunft wird
da - um Kritik auszuüben - ganz eigenartig unter der Gürtellinie
vorgegangen. Klassisches Beispiel: Angela Merkel entspricht nicht dem
gängigen Schönheitsideal, sie wird von vermeintlich liberalen
oder linken Komödianten dann in erster Linie wegen ihres Aussehens
(Stichwort: Sexismus) kritisiert, nicht jedoch wegen ihrer politischen
Arbeit. Wie entgeht ihr dem Dilemma? Kann man dem Dilemma der Stereotypie
überhaupt entkommen?
Wir
arbeiten hauptsächlich mit Ähnlichkeiten. Da für unsere
Geschichten manchmal nicht die Originale, sondern look-alikes herhalten
müssen, übernehmen wir physiognomische Grundähnlichkeiten
bzw eine Verwandtschaft im Sinne des Charakters. Um dem p.t. Publikum
diese Antizipation zu erleichtern (oder zu ermöglichen) greifen wir
auf einige - manchmal durchaus grobschlächtige - Charaktereigenschaften
des Originals zurück. Sei es das ungefähre Idiom, vor allem
jedoch der geistige und kulturelle Horizont. So war es uns Anfangs nicht
zu blöd, sämtliche FPÖ-Vertreter in schlechtestem Kärntnerisch
zu synchronisieren. Der Bereich unter der Gürtellinie ist für
uns auch Thema. Das Tiefe, das Primitive legen wir jedoch den Proponenten
in den Mund. Dadurch sprechen diese so, wie sie wahrscheinlich jenseits
des Rampenlichts tatsächlich sprechen könnten. Fernab der spindoctoral
unterstützten Wahrheiten erfinden wir unsere eigenen. Irgendwo dazwischen
könnte sich dann die Tatsächlichkeit befinden.
Was
sind eure Pflicht-TV-Termine?
Erstmal
natürlich die Simpsons und Harald Schmidt. Dann der Opernball, alles
was mit Wahlen zu tun hat, die erwähnten Galas im ORF, alles was
neu anläuft (letzthin zum Beispiel die versehentlich ausgestrahlte
ORF-interne Kostüm- und Kulissenprobe namens "karls.platz").
Und sooft wie möglich die Rett, die Stöckl, die Thurner, die
Fenderl und die Russwurm. Die Ansprachen des Bundespräsidenten. Und
sowieso der Fall für Zwei, aber nur in der Traumkombination Matula/Frank.
Soviel Distinktionsgewinn sei erlaubt. All diese Sendungen gelten als
Arbeitsmaterial. Privat seien diverse arte-Themenabende zu favorisieren.
Oder der Nachmittag auf 3sat mit wunderbar altvatrischen Dokumentationen.
Hörmanseder bleibt auch noch für alle Fußballmatches daheim,
Salamun und Stachel für den Sonntagscolumbo.
Und
wer ist euer Lieblingsbundeskanzler?
Bruno
Kreisky.
Bruno Kreisky.
Bruno Kreisky.
Du warst mei erster Kanzler, des vergiss I nie.
Wenn
ihr Österreich in zwei Sätzen klassifizieren müsstet, sagen
wir mal fürs CIA World Factbook. Wie würdet ihr das anstellen?
Österreich
ist ein farbenprächtiges, kulturbewusstes und gottgewolltes Land.
Übers reden kommen die Leute zusammen, österreichisch müssen
sie halt können.
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