The Elfi Ott Experience
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maschek machen Hörspiele, Dia-Vorträge,
Live-Synchronisationen, Podiumsdiskussionen und Lieder, die man sich
unbedingt ansehen und -hören sollte. KLAUS NÜCHTERN
Vor
allem in und um Wien gilt die so genannte "Maschekseite" als ausgezeichneter
Ausgangspunkt, sich den Dingen des Daseins zu nähern. Der Duden vermerkt
dazu: "Maschekseite, die: -, -n (zu ung. másik = andere) (ostösterr.): entgegengesetzte Seite, Rückseite."
Die "Maschekseite" ist aber auch der Name einer Homepage (www.maschek.org),
auf der man sowohl die eben zitierte Definition als auch anderes über
die Rückseite der Welt erfährt.
Auf
dieser lebt zum Beispiel Hofrat Wladimir Maschek, der es zu einer bescheidenen
sozialdemokratischen Karriere brachte und bis zu seiner Pensionierung
im Jahre 1967 die Abteilung für Hektografie und fotomechanische Wiedergabe
im Wiener Rathaus leitete. Darüber hinaus ist maschek auch der Name
einer Gruppe von drei jungen Herren, die nicht nur Wladimir Maschek,
sondern auch dessen Freund und Schachpartner Ferdinand Dworschak (Jahrgang
1907) erfunden haben und die beiden (von denen man eigentlich immer
nur Wollhandschuhe sieht) in den nicht übermäßig actionreichen Kurzfilmen
der Serie "maschek.in.ruhe" mit zusehends detailreicheren Biografien
ausstatten.
Was
die Biografie von Peter Hörmanseder, Robert Stachel und Ulrich Salamun
anbelangt, so gilt als gesichert, daß sich die drei im Jahr 1996 auf
dem Wiener Publizistikinstitut kennengelernt haben, um zunächst einmal
"grobe Fahrlässigkeiten" (Stachel) im Internet zu begehen. "Ernsthaft"
wurde die Zusammenarbeit dann im Sommer 1998 begonnen, und bald darauf
malträtierten Salamun und Stachel die Hörer von Radio Orange mit der
Musik und dem im breitesten DJ-Wienerisch vorgetragenen Geschwätz von
Jean-Luc Queltruc und Laurent Anhalter, zwei Proponenten der jungen
Pariser Musikszene, die zwischen ausgedehnten Passagen eines nervenzerfetzenden
House-HipHop-Elektro-Chanson-Crossover in nicht minder strapaziösen
Dialogen Auskunft über ihr musikalisches Schaffen gaben. Zitat Anhalter:
"Man geht ja nicht hin und sagt: ,Ich mach jetzt was.' Es ist ja meistens...daß´d
irgendwie...Ich mein, man sagt schon:,Ich mach jetzt was.' Aber man
sagt irgendwie nicht....nicht genau:,Ich mach was'." Usw., usf.
Die
drei mascheks jedenfalls machen jede Menge. Die permanente Selbstvervielfältigung
im Sinne einer exzessiven Vereinsmeierei wird zum Arbeitsprinzip erhoben,
ständig werden neue Namen, Gruppen, Identitäten entwickelt. Im intimen
Rahmen der Hobbythek, wo maschek im Dezember 1998 zum ersten Mal öffentlich
auftraten, präsentierte man nicht nur einige "maschek.in.ruhe"-Filme,
sondern auch eine Reihe von Dia-Vorträgen. Das Material dazu lieferten
Tausende von anonymen, säckeweise vom Flohmarkt angeschleppte Aufnahmen,
die zu 90 Prozent weggeworfen und mit großer Gelassenheit in Hinsicht
auf die Kontinuität von Zeit und Raum neu montiert wurden. So kommt
es dann, daß in der Dia-Schau "Unser schönes Kärnten" der echte schiefe
Turm von Pisa für den aus Minimundus steht, und selbst eine Tafel mit
der Aufschrift "Bahnhof Zug" irgendwie plausibel gemacht wird.
Auch
die Found-Footage von Super-8-Filmen ist maschek willkommener Anlaß,
Vorgefundenes neu zu deuten. So wird das trinkfreudig-männerbündlerische
Treiben der Waffenmeisterei Essen zum Home Movie der Wehrmacht (inklusive
Exil in Argentinien, aus dem Bruno Kreisky die "Emigranten" wieder zurück
nach Österreich holt).
Bruno
Kreisky wird übrigens auch in einem grandiosen "Gassenhauer" gehuldigt,
in dem maschek (Durschnittsalter: exakt 28) mit selbstironischer Wehmut
die Rückkehr des großen Staatsmannes herbeisingen wollen - und seis
auch nur "auf an schnön Kaffee"; worauf sich die schlichte Agit-Prop-Zeile
reimt: "Weil der Kanzler, wos ma jetzt ham, is a Weh."
Politische
Polemik kommt bei maschek ohne "Widerstand!"-Pathos aus und mit einer
großen Portion Plumpheit daher: So reden zum Beispiel FPÖler prinzipiell
nur Kärntnerisch. Dennoch gewinnt die Neusynchronisation von TV-Auftritten
immer wieder boshaft präzisen Witz - etwa wenn die Gala der Supersportler
zur alljährlichen Verlosung von ein paar österreichischen Staatsbürgerschaften
wird, und die Neo-Österreicher Carl Lewis und Pele glücklich neben Sonja
Klima auf der Bühne stehen.
Seinen
Ursprung hat diese Praxis des "Caráoque" im ersten "Soft Egg"-Auftritt
der mascheks (gemeinsam mit Falter-Filmkritiker Drehli Robnik) im Flex,
als man den Ton der auf Großbildschirm übertragenen und ziemlich faden
"Elefantenrunde" abdrehte und live zu synchronisieren begann. Unvorhersehbare
Pointe: Als der fiktive Alexander van der Bellen seinen Witz gegen Schluß
der Diskussionsrunde endlich zuende erzählen kann, lachen tatsächlich
alle - im Publikum und im Fernsehen. Auf weniger Begeisterung stößt
man bei den Flex-Besuchern mit einer liebevoll-sarkastischen
Reihe von Liedern über Unterhaltungsgiganten von seinerzeit.
Stachel: "Leute wie Elfriede Ott oder Otto Schenk sind dem Flex-Publikum
gerade zur Hälfte namentlich bekannt."
Aber
selbst junge Menschen werden sich dem Charme jener Songs, mit denen
maschek respektive die maschek-Abspaltung Hagestolz und keine Söhne
(Hörmanseder & Stachel) den Niedergang von Peter Alexander und Topsy
Küppers oder den Umstand besingen, daß Otto Schenk und Helmut Lohner
lieber ins Café als demonstrieren gehen, nicht entziehen können.
Daß
maschek ihren spontanen Witz vorteilhaft mit einer genauen Beobachtungsgabe
und einem augenfälligen schauspielerischen Talent verbinden können,
beweist jener "maschek.cirquel", in dem Hörmanseder, Salamun und Stachel
in fünf Rollen das Thema "Retro: schicker Anachronismus oder postmoderner
Kokolores" mit schlimmen Haartrachten und wissenschaftlichem Bierernst
diskutieren. Die Gesten und die Rhetorik hat man beim Studium alter
"Club 2"-Mitschnitte trainiert, wobei das öffentlich-rechtliche Fernsehen
der Siebzigerjahre "auch ganz unironisch ein Vorbild ist", wie Hörmanseder
anmerkt: "Da kommt schon Nostalgie" auf.
Im
Übrigen lehnen maschek die rezente Retro-Euphorie als postmodernen Kokolores
ab. Hörmanseder: "Solange das ,Wickie, Slime & Paiper'-Publikum
nicht zu uns kommt, ist alles okay."
FALTER 19/00